Jul24.'1720.00 Uhr

5. Stilgebot für guten Text: 
Schreibe dynamisch

Wechseln Sie kurze und längere Sätze und verschiedene Satzarten ab

Von Ralf Isau

Einförmigkeit tut selten gut. Beim Essen achten wir auf Vielfalt, weil’s gesünder ist und besser schmeckt. Das Futter für den Geist – Geschriebenes in fast jeder Form – sollte ebenso abwechslungsreich sein. Kaut der Leser auf gleichförmigen Texten herum, verliert er schnell den Geschmack daran und sucht sich andere Angebote. Nicht nur Werbetexter, alle Textschaffen sollten ihre Texte daher dynamisch verfassen. Aber was genau ist ein dynamischer Stil?

Das Fremdwort »dynamisch« steht nicht nur für Abwechslung, sondern auch für Kraft und Stärke. Wir kennen das aus der Musik: Ständig nur den gleichen Beat in unveränderter Lautstärke zu hören wirkt eintönig. Als kraftvoll und lebendig empfinden wir dagegen Stücke, in denen sich laute und leise, schnelle und langsame Passagen abwechseln. Beim Texten neigen wir oft unbewusst zur stilistischen Monokultur. Hier erfahren Sie mehr über die häufigsten Fehler, die einem Text den Schwung rauben. Lernen Sie, wie Sie mehr Dynamik in Ihre Texte bringen.

Kaugummi- oder Spaghettistil

Der »Stilpapst« Ludwigs Reiners bezeichnet in seiner Stilfibel lange Sätze als das schlimmste Stillaster der Deutschen. Allzu oft stoßen wir auf Texte, in denen sich ein langer Satz an den nächsten reiht. Alles zieht sich wie Kaugummi. Dabei meistert das menschliche Kurzzeitgedächtnis beim Lesen nur ungefähr eine Strecke von drei Sekunden. In dieser Zeit lesen wir etwa sechs Wörter oder zwölf Silben. Was merkt sich der Leser da wohl, wenn Sie Ihm einen Teller voller Spaghettisätze vorsetzen? So gut wie nichts.

Stakkato- oder Asthmastil

Gnadenloses Kürzen scheint das passende Rezept gegen den Spaghettistil. In der Kürze liege die Würze, behaupte ich ja im Teil 5 dieser Serie. Stimmt auch. Wenn aber ein kleiner Hauptsatz den nächsten jagt, wirkt der Text so kurzatmig wie ein Asthmatiker. Wie stellen Sie das verbale Hammerwerk ab, ohne die Sätze unnötig in die Länge zu ziehen?

Sorgen Sie für einen lebendigen Wechsel aus mäßig langen und kürzeren Sätzen. So wie in diesem Absatz. Ein kurzer Satz kann auch einmal nur aus einem Wort bestehen. Wirklich! Und ein langer Satz sollte in der Regel nicht mehr als 14 Wörter umfassen. Ausnahmen sind erlaubt.

Uniformstil

Nicht allein die wechselnde Länge von Sätzen beeinflusst, ob wir Geschriebenes als lebendig empfinden. Leser mögen auch keine Texte, in denen sich viele Haupt- oder Nebensätze gleicher Art aneinanderreihen. Vermeiden Sie daher, jeden neuen Satz mit einem Artikel (der, die, das) zu beginnen. Oder mit »Wir bieten«, »Bei uns« und ähnliche Phrasen. Auch eine Stafette von Temporalsätzen, Kausalsätzen usw. wirkt schnell langweilig. Im folgenden Beispiel bombardiert der Texter den Leser gleich mit vier erweiterten Infinitiven:

Leichter zu lesen und zu verstehen ist folgende dynamischere Variante:

Dass-Sätze verursachen Krätze

Zugegeben, dieser provokative Titel ist etwas übertrieben. Aber nur ein wenig. Das »Dass«, das das Doppel-s benutzt, gilt durchaus als schlechter Stil. Trotzdem begegnen uns allenthalben dass-verseuchte Texte. Sie wirken auf den Leser selten elegant, sondern eher papieren. »Lena, ich will, dass du mir zuhörst«, mag eine Mutter schon mal zu ihrem kopfhörerertaubten Pubertier sagen. Wahrscheinlicher sind aber dass-lose Ansprachen wie: »Hör mir gefälligst zu!« Oder: »Lena, ich will dir was sagen.« Wie schon im Teil 5 beschrieben, lässt sich das böse Dass-Wort in den allermeisten Fällen vermeiden. Statt also zu texten:

Geht es besser so:

Oder so:

Und damit wären wir auch schon beim nächsten Dynamikverstärker.

Direkte und indirekte Rede

Wörtliche Rede lockert den Text auf. Sie passt nicht zu jedem Format gleich gut. In einer Bedienungsanleitung etwa, vermisst sie wohl niemand. Besonders wirkungsvoll ist sie in PR-Artikeln, Blogposts und anderen redaktionellen Texten. Hier bringt sie den Faktor Mensch ins Spiel: Wir interessieren uns für das, was andere sagen.In Anführungsstriche gesetzte Einsprengsel machen den Text aber auch unruhiger. Dies lässt sich die indirekte (abhängige) Rede abmildern. Wechseln Sie mit Fingerspitzengefühl zwischen direkter und indirekter Rede, gewinnt Ihr Text mehr Abwechslung und Dynamik. Dazu zwei Beispiele:

Achten Sie beim Lesen der Zeitung einmal auf die direkte und indirekte Rede. Sie werden die Variante zwei wesentlich häufiger antreffen. Und sich damit wohler fühlen.

Dialogstil

Werbetexte sind wie ein Gespräch zwischen Verkäufer und potenziellem Käufer. Warum die Texte dann nicht wie eine Unterhaltung gestalten? Stellen Sie lieber Fragen, statt Phrasen zu dreschen. Die Fragen, die sich Ihre Zielgruppe stellt. Und dann liefern Sie die Antworten. Sprechen Sie den Leser direkt an, so wie ich es hier tue. Texte ohne Dialogstil wirken oft dozierend und abgehoben. Treten Sie dagegen mit den Leser in den Dialog, fühlt er sich mit einbezogen.

Fazit

Dynamische Texte lesen sich leichter. Variieren Sie deshalb die Satzlängen und Satzarten. Vermeiden Sie Dass-Konstruktionen. Wechseln Sie zwischen direkter und indirekter Rede. Und benutzen Sie den Dialogstil. Alles zusammen ergibt eine bunte, lebendige Mischung, die sich flüssig lesen lässt und Ihren Lesern Freude macht.

Im Teil 7 dieser Reihe widmen wir uns dem Erzfeind des guten Stils: dem Passiv. Lesen Sie mehr über die Leideform, die jeden Action-Text in eine verbale Schlaftablette verwandelt.

6. Stilgebot